Agile Entwicklung in den letzten 20 Jahren

In der Softwareentwicklung vor über 20 Jahren schufen erfahrene Software-Entwickler mit dem agilen Manifest die Grundlage für das agile Arbeiten, um bisherige Entwicklungsprozesse mit langen Entwurfsphasen durch inkrementelle Vorgehensweisen abzulösen. Anlässlich des 20-jährigen Firmenjubiläums der KEGON AG blickt Thorsten Janning auf die agile Entwicklung der letzten Jahre zurück.

Das agile Manifest.

Softwareentwicklung vor der Jahrtausendwende fühlte sich im wesentlichen der Tradition anderer Ingenieur-Disziplinen verpflichtet. Komplexität wurde durch gründliche Entwurfsphasen beherrscht,  Datenmodelle spielten dabei eine entscheidende Rolle und waren prägend für modularisierte Software-Entwicklung, vor allem durch objektorientierte Software-Entwicklung, geprägt durch Programmiersprachen wie C++ oder Smalltalk, später auch Java. Die Vorgehensweise in dieser Generation von Software-Entwicklung war typischerweise durch ein V-Modell geprägt: Analysieren, Entwerfen, Entwickeln, Testen, Integrieren und liefern. Auch wenn von vielen Entwicklern schon immer der Wert inkrementeller Arbeitsweise hoch geschätzt wurde, hielt professionelle und sicherheitskritische Entwicklung doch meist Abstand davon.
 
Insofern war das agile Manifest, das von einigen sehr erfahrenen Software-Entwicklern verfasst wurde, ein bewusster Paradigmen-, ja sogar Dogmen-Bruch. Man stellte bewusst die bisherigen Professionalitäts-Dogmen in Frage, zugunsten schneller, flexibler und Nutzer-orientierter Entwicklung, ohne allzu große Planungs-, Analyse und Designphasen, die durch mehr Kommunikation und Lernen ersetzt wurden. Es entstand eine wachsende Gemeinde von überzeugten agilen Entwicklern, die ihre Arbeit in agilen Teams organisierten. Und auf einmal war Softwareentwicklung wieder etwas leichtgewichtiges, das schnell Ergebnisse liefern konnte. 
Und natürlich entstanden schnell die ersten Beratungshäuser, die versprachen, die eher schwerfällig agierende „Wasserfall“- entwicklung durch agile Arbeitsweise zu beschleunigen. Und im Laufe der ersten Jahre unseres Jahrtausends machten immer mehr Unternehmen erste Versuche mit agiler Entwicklung, auch wenn diese Versuche von den tonangebenden klassischen Software-Ingenieur-Managern immer noch etwas in die Freak-Ecke geschoben wurden.

https://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html

Agilität für große Organisationen: Skalierte Agilität

Nachdem die agilen Teams aber immer mehr Erfolge feierten, vor allem in Bereichen mit unklaren oder sich im zeitlichen Verlauf verändernden Anforderungen, drehte sich auch die Meinung in den Chef-Etagen, vor allem in denen vieler Softwarehäuser und Internet-Unternehmen, wo Beweglichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit kritische Erfolgsfaktoren waren. Ab 2010 wurden die agilen Organisationen immer größer, entweder weil agile Organisationen wegen ihres Erfolgs wuchsen, oder weil sich immer größere Organisationen an die Agilität heranwagten. Skalierung der Agilität stand auf der Agenda vieler Unternehmen, aber auch die agilen Denkschulen beschäftigten sich zunehmend damit. In den Jahren bis 2020 setzte sich das Scaled Agile Framework© im Markt als Quasi-Standard durch. Und mit diesem Framework wagten sich auch traditionell eher konservative Organisationen wie Banken und Versicherungen an die Agilität. Auch für die Industrie, die komplexe Hardware-Software-Systeme entwickelte, wie die deutschen Automobil- und Automobil-Zuliefer-Unternehmen, boten die skalierten agilen Ansätze die notwendige Unterstützung, selbst in regulierten Branchen wie Medizintechnik. 

Agilität heute: Stichwort Business Agility

Seit 2019 rückt nun zunehmend die Business Agility in den Vordergrund. Auch wenn es kein einheitliches Verständnis davon gibt, dann ist doch allen Interpretationen gemeinsam, dass es darum geht, die Prinzipien der Agilität aus den Entwicklungsbereichen in die anderen Unternehmensbereiche und die Gesamtsteuerung des Unternehmens zu übertragen. Neben einem agilen Strategieprozess steht dann die agile Organisation in Bereichen der Produktion, des Service, des Vertriebs oder auch von Dienstleistungen auf dem Programm. In diesen Bereichen gibt es bis heute keine oder nur rudimentäre Framework-Ansätze. Deswegen dürfen wir auf die Entwicklung gespannt sein. Die agile Geschichte ist offensichtlich noch nicht zu Ende! 

Über den Autor: 
Dr. Thorsten Janning ist Dipl. Mathematiker und seit 1990 in der IT-Branche tätig.  Als Mitbegründer der KEGON AG (im Jahr 2002) ist er Partner und war bis Ende 2017 Vorstand der KEGON AG. Thorsten Janning ist einer der ersten europäischen SAFe® Program Consultant Trainer (SPCT) und der erste deutsche SAFe® Fellow und damit einer der erfahrensten und profiliertesten agilen Berater in Europa.

Zum Thema Business Agility hat Thorsten Janning einen online Einführungskurs erstellt, auf der Lern-Plattform unseres Partners Seibert Media. 

https://lernen.seibert-media.net/course/business-agility